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Wechselmodell und erweiterter Umgang

Immer häufiger weichen Eltern vom klassischen Residenzmodell ab, in dem sich das Kind schwerpunktmäßig bei einem Elternteil aufhält und von diesem betreut wird, während der andere Elternteil Barunterhalt zahlt. Teilweise wird ein Wechselmodell praktiziert, teilweise wird der klassische Umgang von Samstag auf Sonntag alle 14 Tage erweitert. Üblich sind heute Wochenendumgänge von Freitag nach der Schule bis Montag zur Schule mit einer oder zwei weiteren Übernachtungen in der anderen Woche.

In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob und wenn ja, in welcher Höhe dann noch ein Kindesunterhalt zu zahlen ist.

Wechselmodell und erweiterter Umgang sind bislang gesetzlich nicht geregelt

Die Gerichte sind sich uneins, ob ein Wechselmodell angeordnet werden darf oder nicht. Immer mehr Gerichte ordnen inzwischen ein Wechselmodell im Rahmen eines Umgangsverfahrens an, wenn die Eltern vorher schon ein Wechselmodell praktiziert hatten (vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 17.12.2015, Az 2 UF 106/14, OLG Schleswig, Beschl. v. 19.12.2013, Az. 15 UF 55/13, OLG Karlsruhe, Beschl. v. 5.11.2013, Az. 5 UF 27/13, KG, Beschl. v. 28.2.2012, Az. 18 UF 184/09, OLG Jena, Beschl. v. 22.8.2011, Az. 2 UF 295/11, OLG Brandenburg, Beschl. v. 31.3.2010, Az. 13 UF 41/09)

Unterhalt im Wechselmodell und beim erweiterten Umgang

Der Gesetzgeber veranstaltete zu diesem Thema am 4.5.2015 ein Symposium, um der neuen gesellschaftlichen Realität Rechnung zu tragen. Allerdings ist es bis zu einer Gesetzesvorlage noch ein weiter Weg.

Daher wurden die Gerichte aufgerufen, den Unterhalt beim Wechselmodell und beim erweiterten Umgang wenigstens in den Unterhaltsleitlinien zu regeln. Bislang ist das nur vom OLG Düsseldorf in seinen Leitlinien zum 1.8.2015 unter Ziffer 12.3 umgesetzt worden. Die dortige Regelung kann allerding rechnerisch nicht umgesetzt werden, ohne die von der Rechtsprechung und der Literatur bislang erarbeiteten Berechnungsmodelle zu kennen.

Beim erweiterten Umgang ist es einfacher. Beträgt die Betreuung bis zu 1/3 der Gesamtzeit, verbleibt es beim Barunterhalt. Im Bereich zwischen 1/3 und ½ hat der BGH durch Urteil vom 12.3.2014, Az. XII ZB 234/13 eine leichte Korrektur vorgenommen. Er lässt nunmehr die Herabgruppierung von einer oder mehreren Gruppen in der Düsseldorfer Tabelle zu, wenn eine erweiterte Betreuung vorliegt. Allerdings kommen nur solche Väter in den Genuss dieser Erleichterung, die mehr als den Mindestunterhalt zahlen.

Ungerechte Unterhaltsberechnung beim Wechselmodell

Beim Wechselmodell ist von der Rechtsprechung bislang noch keine gerechte Unterhaltsregelung gefunden worden. Es gibt zahlreiche Berechnungsmodelle, die vor allem bei großen Einkommensunterschieden der Eltern zu ungerechten Ergebnissen führen. Aktuell hat sich das OLG Dresden im Beschluss vom 29.10.2015, Az. 20 UF851/15, der sogenannten Gutdeutsch-Berechnungsmethode angeschlossen, die sich, soweit erkennbar, gegen andere Berechnungsansätze durchgesetzt hat, obwohl sie besonders ungerechte Ergebnisse liefert.

Der BGH wird demnächst entscheiden, wie der Unterhalt beim Wechselmodell zu berechnen ist

Dadurch, dass das OLG Dresden die Revision zugelassen hat, ist nun der BGH mit der Frage befasst. Die Revision eines Vaters wird dort zum Az. XII ZB 565/15 bearbeitet. Er stellt sich auf den Standpunkt, dass im echten Wechselmodell überhaupt kein Unterhalt an den anderen Elternteil zu zahlen ist.

Vieles spricht für diese Auffassung. Wenn der BGH schon nicht dieser Extremlösung folgt, sollte er wenigstens eine gerechte Berechnungsmethode entwickeln, zumal vom Gesetzgeber in dieser Richtung bis auf weiteres nichts zu erwarten ist.

Wie wird derzeit gerechnet und wo liegen die Ungerechtigkeiten?

Alle Berechnungsmethoden haben gemeinsam, dass der Unterhalt beim Wechselmodell nach dem zusammengerechneten Einkommen der Eltern ermittelt wird, wie beim Volljährigenunterhalt.

Der dortige Bedarf wird um wechselmodellbedingte Kosten wie Fahrtkosten, Wohnkosten etc. erhöht und dann nach den Einkommen der Eltern prozentual verteilt.

Ungerechte Ermittlung der Haftungsanteile der Eltern

Obwohl § 1606 Abs. 2 BGB vorschreibt, dass die Haftungsquoten nach dem Einkommen der Eltern zu ermitteln sind, wurde diese Vorgabe schon vor 30 Jahren durch einen Beschluss des BGH vom 5.11.1995, Az. IVb ZR 69/84 in FamRZ 1986, S. 15, verwässert. Zugunsten des Einkommensschwächeren wird danach vor der Quotenbildung bei beiden Eltern der angemessene Selbstbehalt oder Sockelbetrag von derzeit 1.300,00 € vom Nettoeinkommen abgezogen (vgl. z.B. Unterhaltsleitlinien KG Berlin und andere Oberlandesgerichte Ziff. 13.3, OLG Brandenburg Ziff. 12.3.). Bei vielen Elternteilen führt dies dazu, dass sie überhaupt keinen Quotenunterhalt mehr bezahlen müssen, in anderen Fällen, wie etwa in dem entschiedenen Fall des OLG Dresden, erhöhte sich die Quote des Vaters durch diese fragwürdige Berechnungsmethode von 65% auf 93% bei einem Nettoeinkommensverhältnis von 2.800,00 € zu 1.400,00 €.

Ungerechte Anrechnung des Kindergeldes

Nach § 1612 b BGB ist das hälftige Kindergeld vom Barunterhalt abzuziehen. Die Vorschrift bezieht sich auf das Residenzmodell. Beim Wechselmodell sollte aber, wie beim Volljährigenunterhalt, ebenfalls das volle Kindergeld vom Bedarf des Kindes abgezogen werden. Der Restbedarf des Kindes wäre dann nach Haftungsanteilen unter den Eltern zu verteilen. Das würde den Elternteil entlasten, der die höhere Quote trägt.

Aber nicht einmal diese Erleichterung wird von vielen Gerichten gewährt.

Entgegen dem Gesetzeswortlaut ziehen sie, wie beim Residenzmodell nur das hälftige Kindergeld ab und belassen den Rest beim Kindergeldbezieher, ohne dass er ihn für den Bedarf des Kindes verwenden müsste. So auch das OLG Dresden. Dadurch verblieb der Mutter ¾ des gesamten von ihr bezogenen Kindergeldes zu freien Verfügung.

Ungerechte Ausgleichsbeträge bei großen Einkommensunterschieden

Nun ließ es das OLG Dresden nicht etwa dabei bewenden, den Haftungsanteil des Vaters beim Kindesunterhalt hochzuschrauben. Es nahm ihm auch noch die Möglichkeit, frei zu entscheiden, wie er den Unterhalt der Kinder konkret gestaltet. Er wurde verurteilt, pro Kind einen sogenannten Ausgleichsbetrag von 160,00 € an die Mutter zu zahlen, den die Mutter dann nach eigenem Gutdünken für den Unterhalt der Kinder einsetzen sollte.

Das Residenzmodell ist oft billiger, als das Wechselmodell

Im Ergebnis kostete den Vater das Wechselmodell á la OLG Dresden monatlich 100,00 € pro Kind mehr, als er im Residenzmodell bei voller Barunterhaltspflicht an die Mutter bezahlen müsste.

Mangelnde Akzeptanz des Wechselmodells

Entscheidungen wie die des OLG Dresden zeigen, wie gering die Akzeptanz des Wechselmodells bei den Gerichten und Fachleuten ist, und wie auf allen Ebenen versucht wird, die wechselseitige Betreuung durch unzumutbare Rahmenbedingungen zu verhindern.

Wechselmodell und erweiterten Umgang fördern!

Nach der Trennung der Eltern sollten die Kinder zu beiden Elternteilen einen möglichst intensiven Kontakt behalten, was durch das Residenzmodell nur eingeschränkt möglich ist.

Viele Eltern haben das erkannt und daher neue Umgangsformen gefunden, die diesem Bedürfnis der Kinder besser gerecht werden. Das sollte durch die Gesetzgebung und die Gerichte gefördert und nicht blockiert werden.

Der VHTS setzt sich dafür ein, dass die Kinder nach der Trennung der Eltern Mutter und Vater gleichermaßen in ihrem Alltag erleben, sei es in einem Modell des erweiterten Umgangs oder im Wechselmodell, also bei paritätischer Betreuung, etwa mit wöchentlichem Wechsel der Kinder.

Diese Betreuungsmodelle müssen aber sinnvoll finanziert werden und es kann nicht sein, dass der in der Regel mehr verdienende Vater durch ein Wechselmodell oder den erweiterten Umgang schlechter dasteht, als beim herkömmlichen Residenzmodell. Seine Betreuungsleistung ist adäquat zu honorieren.

Anstelle der ungerechten und undurchsichtigen Berechnungsmodelle sollten die Eltern im Wechselmodell gänzlich auf gegenseitige Ausgleichsbeträge verzichten und den Bedarf der Kinder nach ihren natürlichen Haftungsquoten und ihren Möglichkeiten bestreiten.

Bei erweitertem Umgang sollte eine Reduzierung des Barunterhaltes vorgenommen werden bzw. eine Quote nach dem zeitlichen Betreuungsaufwand gebildet werden. Beim Bedarf könnte von dem zusammengerechneten hälftigen Barunterhalt ausgegangen werden, den die Eltern zu zahlen hätten, wenn sich das Kind vollständig beim anderen Elternteil aufhielte (vgl. OLG Karlsruhe vom 5.12.2005, Az. 2 UF 10/05).

Wohnkosten sollten nicht als Zusatzkosten berücksichtigt werden, weil es dem einkommensschwächeren Elternteil nicht zuzumuten ist, sich an den erhöhten Wohnkosten des besserverdienenden Elternteils zu beteiligen.

Eine Entlastung des einkommensschwächeren Elternteils könnte dadurch erfolgen, dass ihm im Gegensatz zur Barunterhaltszahlung nicht nur der notwendige Selbstbehalt von derzeit 1.080,00 €, sondern von 1.300,00 € verbleiben darf.