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Ablehnung der Bluttransfusion

Bei einer Ablehnung der Bluttransfusion durch einen Elternteil kann das Familiengericht die Entscheidung auf den anderen Elternteil übertragen (Anmerkung zum Beschluss des Kammergerichts (Berlin) vom 5.9.2022, Aktenzeichen 16 UF 64/22).

Sachverhalt

Im zugrunde liegenden Fall begehrte der Vater die alleinige Entscheidungsbefugnis über eine Bluttransfusion für den Fall einer Operation des Kindes. Die Mutter gehörte den Zeugen Jehovas an, die Bluttransfusionen grundsätzlich ablehnen.

Das Familiengericht Pankow hatte dem Vater diese Befugnis gem. § 1628 BGB zugesprochen. Mit ihrer Beschwerde hatte die Mutter Erfolg.

Übertragung des Sorgerechts gem. § 1628 BGB

Nach Auffassung des Kammergerichts scheitert das Begehren des Vaters bereits daran, dass keine konkrete Situation gegeben war, in der die Mutter ihre Zustimmung zu seiner Bluttransfusion verweigert hätte.

Die entsprechende Vorschrift des lasse nur dann die Übertragung eines Teilbereichs der elterlichen Sorge zu, wenn sie sich auf eine konkrete Situation beziehe, etwa auf die anstehende Einschulung, eine anstehende Operation etc.

Übertragung des Sorgerechts gem. § 1671 BGB

Aber auch die Übertragung eines Teilbereichs der elterlichen Sorge nach § 1671 BGB lehnte das Kammergericht ab.

Denn angesichts der Schwere des Eingriffs in das Grundrecht des anderen Elternteils nach Art. 6 Grundgesetz müsse eine erhebliche Gefährdung des Kindeswohls vorliegen, was im vorliegenden Fall zu verneinen sei.

Hohe Hürden beim Sorgerecht wegen Art. 6 Grundgesetz

Viele Eltern glauben, sie könnten nach der Trennung mit der Übertragung des Sorgerechts oder eines Teilbereichs des Sorgerechts einfacher für das Kind handeln und sich lästigen Abstimmungen mit dem anderen Elternteil entziehen.

Demgegenüber ist es in der Praxis sehr schwer, das Sorgerecht oder einen Teil davon auf sich übertragen zu lassen. Denn das Sorgerecht eines Elternteils unterliegt dem besonderen Schutz unserer Verfassung. Deshalb wir es nur in Ausnahmefällen einem Elternteil allein übertragen, etwa, wenn das zu einer deutlichen Verbesserung für die Situation des Kindes führt.

Entscheidungen des täglichen Lebens gem. § 1687 BGB

Nur wenige Eltern wissen, dass sie in allen Dingen des täglichen Lebens ohne Rücksprache mit dem anderen Elternteil nach § 1687 BGB allein entscheiden können, wenn sie das Kind betreuen. Das gilt etwa für Arztbesuche bei einer Erkältung des Kindes, Routineuntersuchungen beim Kinderarzt, Teilnahme an Klassenfahrten, Freizeitgestaltung etc.

Entscheidungen von erheblicher Bedeutung

In der Praxis gibt es nur wenige Fälle, in denen ein betreuender Elternteil die Zustimmung des anderen Elternteils benötigt, etwa bei einer psychologischen Behandlung oder Impfung des Kindes, bei der Einschulung, beim Schulwechsel oder bei einer Operation des Kindes.

Erteilt der andere Elternteil in solchen Fällen seine Zustimmung nicht, kann das Familiengericht dem Elternteil, der nach Auffassung des Familiengerichts das Wohl des Kindes besser im Auge hat, für diesen konkreten Fall die Entscheidungsbefugnis übertragen. Denkbar ist auch, dass ein Ergänzungspfleger bestellt wird mit der Folge, dass dann beide Eltern diesen Teil des Sorgerechts, etwa die Gesundheitssorge verlieren.

Streit vermeiden

Vor diesem Hintergrund sollten die betroffenen Eltern im Interesse des Kindes versuchen, wichtige Entscheidungen einvernehmlich zu treffen. Sie können zum einen die Erziehungs- und Familienberatung der Jugendämter in Anspruch nehmen, zum andern die betreffende Frage im Wege einer Mediation klären.

Für Kinder ist es zweitrangig, ob sie die bessere oder die schlechtere Schule besuchen. Wichtig ist ihnen, dass ihre Eltern nicht streiten, sondern gemeinsam handeln und etwa die Schule gemeinsam bestimmen.

Abgesehen davon ist ein Gerichtsverfahren mit erheblichen Belastungen für die betroffenen Kinder verbunden, die häufig gravierender sind, als das Ergebnis des Gerichtsprozesses. Es entstehen auch unnötige Kosten für die Eltern, die sie besser für eine gemeinsamen Zeit mit den Kinder verwenden könnten. Deshalb sollten die Eltern nicht um jeden Preis an ihrer Sicht der Dinge festhalten.

Mitglieder des VHTS können sich über diese Themen günstig bei den Vereinsanwälten beraten lassen.

Wenn Ihnen das Vorgehen klar ist, Ihnen aber der nötige Mut fehlt, vermittelt der VHTS Coaching oder Therapie, um die Situation mental zu meistern.