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Wechselmodell und erweiterter Umgang

Residenzmodell auf dem Rückzug

Immer häufiger weichen Eltern vom klassischen Residenzmodell ab, in dem sich das Kind schwerpunktmäßig bei einem Elternteil aufhält und von diesem betreut wird, während der andere Elternteil Barunterhalt zahlt.

Teilweise wird ein Wechselmodell praktiziert, teilweise wird der klassische Umgang von Samstag auf Sonntag alle 14 Tage erweitert. Üblich sind heute Wochenendumgänge von Freitag nach der Schule bis Montag zur Schule mit einer oder zwei weiteren Übernachtungen in der anderen Woche.

In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob und wenn ja, in welcher Höhe dann noch ein Kindesunterhalt zu zahlen ist.

Grundsatzentscheidung zum Wechselmodell

Seit der Grundsatzentscheidung des BGH vom 1.2.2017, Az. XII ZB 601/15 darf ein Wechselmodell angeordnet werden, und zwar in einem gerichtlichen Umgangsverfahren. Bis dahin waren sich die Gerichte uneins, ob ein Wechselmodell angeordnet werden darf oder nicht.

Unterhalt im Wechselmodell und beim erweiterten Umgang

Der Gesetzgeber veranstaltete zu diesem Thema bereits am 4.5.2015 ein Symposium, um der neuen gesellschaftlichen Realität Rechnung zu tragen. Bislang gilt die Devise "Alles oder Nichts": Nur bei einem paritätischen Wechselmodell wird der Unterhaltszahler merklich entlastet, aber auch nur bei ähnlichen Einkommensverhältnissen der Eltern.

Beim erweiterten Umgang von wenigstens 30% Betreuungszeit, also bei einem Verhältnis von 5 Tagen zu 9 Tagen innerhalb von 14 Tagen ist eine Herabsetzung des Tabellenunterhalt um 1-2 Einkommensgruppen möglich (vgl. BGH-Urteil vom 12.3.2014, Az. XII ZB 234/13). Allerdings kommen nur solche Väter in den Genuss dieser Erleichterung, die mehr als den Mindestunterhalt zahlen.

Ende 2022 hat der Familiengerichtstag Modelle erarbeitet, wonach ab einem Betreuungsanteil von mehr als 30 % der Kindesunterhalt nach Betreuungsanteil und Einkommen der Eltern gequotelt wird und damit niedriger liegt, als der Tabellenunterhalt im Residenzmodell. Es ist zu hoffen, dass der Gesetzgeber das Thema endlich regelt. Damit würden sich alle Streitigkeiten der Eltern über den Umgang erledigen, bei denen der Kindesunterhalt im Hintergrund steht.

Grundsatzentscheidung zum Unterhalt beim Wechselmodell

Mit Beschluss vom 11.1.2017, Az. XII ZB 565/15 bestätigte der BGH das OLG Dresden, Beschluss vom 29.10.2015, Az. 20 UF851/15 und stellte klar, dass auch beim Wechselmodell Kindesunterhalt zu zahlen ist. Die Berechnung ist kompliziert und im Ergebnis ungerecht. Das OLG Dresden wandte die sogenannten Gutdeutsch-Berechnungsmethode an, die sich gegen andere Berechnungsansätze durchsetzte, obwohl sie besonders ungerechte Ergebnisse liefert.

Ungerechte Ermittlung der Haftungsanteile der Eltern

Obwohl § 1606 Abs. 2 BGB vorschreibt, dass die Haftungsquoten nach dem Einkommen der Eltern zu ermitteln sind, wurde diese Vorgabe schon vor 30 Jahren durch einen Beschluss des BGH vom 5.11.1995, Az. IVb ZR 69/84 in FamRZ 1986, S. 15, verletzt.

Dabei wird vor der Bildung der Einkommensquote (Haftungsanteil) bei beiden Eltern der angemessene Selbstbehalt oder Sockelbetrag von derzeit 1.750,00 € vom Nettoeinkommen abgezogen (vgl. z.B. Unterhaltsleitlinien KG Berlin und andere Oberlandesgerichte Ziff. 13.3, OLG Brandenburg Ziff. 12.3.).

Bei vielen Elternteilen führt dies dazu, dass sie überhaupt keinen Quotenunterhalt mehr bezahlen müssen, in anderen Fällen, wie etwa in dem vom BGH bestätigten Fall des OLG Dresden, erhöhte sich die Quote des Vaters durch diese fragwürdige Berechnungsmethode von 65% auf 93% bei einem Nettoeinkommensverhältnis von 2.800,00 € zu 1.400,00 €.

Ungerechte Anrechnung des Kindergeldes

Nach § 1612 b BGB ist das hälftige Kindergeld vom Barunterhalt abzuziehen. Die Vorschrift bezieht sich auf das Residenzmodell. Beim Wechselmodell sollte aber, wie beim Volljährigenunterhalt, ebenfalls das volle Kindergeld vom Bedarf des Kindes abgezogen werden. Der Restbedarf des Kindes wäre dann nach Haftungsanteilen unter den Eltern zu verteilen. Das würde den Elternteil entlasten, der die höhere Quote trägt.

Entgegen dem Gesetzeswortlaut ziehen sie, wie beim Residenzmodell nur das hälftige Kindergeld ab und belassen den Rest beim Kindergeldbezieher, ohne dass er ihn für den Bedarf des Kindes verwenden müsste.

Ungerechte Ausgleichsbeträge bei großen Einkommensunterschieden

Nun ließ es das OLG Dresden nicht etwa dabei bewenden, den Haftungsanteil des Vaters beim Kindesunterhalt hochzuschrauben. Es nahm ihm auch noch die Möglichkeit, frei zu entscheiden, wie er den Unterhalt der Kinder konkret gestaltet. Er wurde verurteilt, pro Kind einen sogenannten Ausgleichsbetrag von 160,00 € an die Mutter zu zahlen, den die Mutter dann nach eigenem Gutdünken für den Unterhalt der Kinder einsetzen sollte.

Das Residenzmodell ist oft billiger, als das Wechselmodell

Im Ergebnis kostete den Vater das Wechselmodell á la OLG Dresden monatlich 100,00 € pro Kind mehr, als er im Residenzmodell bei voller Barunterhaltspflicht an die Mutter bezahlen müsste. aber das nahm er in Kauf, um die Kinder im Wechselmodell mitbetreuen zu können.

Mangelnde Akzeptanz des Wechselmodells

Entscheidungen wie die des OLG Dresden zeigen, wie gering die Akzeptanz des Wechselmodells bei den Gerichten und Fachleuten ist, und wie auf allen Ebenen versucht wird, die wechselseitige Betreuung durch unzumutbare Rahmenbedingungen zu verhindern. Trotzdem wird das Wechselmodell heute schon öfter angeordnet, als im Jahr 2017 und auch in die Unterhaltsfrage ist Bewegung gekommen.

Wechselmodell und erweiterten Umgang fördern!

Nach der Trennung der Eltern sollten die Kinder zu beiden Elternteilen einen möglichst intensiven Kontakt behalten, was im das Residenzmodell nur eingeschränkt möglich ist. Viele Eltern haben das erkannt und daher neue Umgangsformen gefunden, die diesem Bedürfnis der Kinder besser gerecht werden. Das sollten Gesetzgebung und Gerichte stärker fördern.

Diese Betreuungsmodelle müssen aber sinnvoll finanziert werden und es kann nicht sein, dass der in der Regel mehr verdienende Vater durch ein Wechselmodell oder den erweiterten Umgang schlechter dasteht, als beim herkömmlichen Residenzmodell. Seine Betreuungsleistung ist adäquat zu honorieren.

Wechselmodell nicht um jeden Preis

Der VHTS setzt sich dafür ein, dass die Kinder nach der Trennung der Eltern Mutter und Vater gleichermaßen in ihrem Alltag erleben, sei es in einem Modell des erweiterten Umgangs oder im Wechselmodell, also bei paritätischer Betreuung, etwa mit wöchentlichem Wechsel der Kinder.

Wenn das Wechselmodell aber nur durch streitige Gerichtsentscheidung gegen den Willen eines Elternteils möglich ist, kann der Schaden größer sein, als der Nutzen. Denn Kinder unterscheiden selten zwischen einem Betreuungsverhältnis von 5/9, 6/8 oder 7/7 innerhalb von 14 Tqagen. Ihnen ist es wichtig, qualitativ guten Umgang zu haben und vor allem, dass der Umgang von den Eltern gemeinsam beschlossen und gefördert wird.

Mitglieder des VHTS können sich über diese Themen günstig bei den Vereinsanwälten beraten lassen.

Wenn Ihnen das Vorgehen klar ist, Ihnen aber der nötige Mut fehlt, vermittelt der VHTS Coaching oder Therapie, um die Situation mental zu meistern.