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Von der Trennung bis zur Scheidung

Seit dem 1.07.1977 gilt für Scheidungen in der Bundesrepublik Deutschland das sog. Zerrüttungsprinzip. Das bis dahin geltende Schuldprinzip wurde damit abgelöst. Eine Ehe kann jetzt geschieden werden, wenn sie gescheitert ist, also wenn die Eheleute auf Dauer keine Lebensgemeinschaft mehr führen wollen und sie im Vorfeld der Scheidung eine Zeitlang getrennt gelebt haben. In der Trennungszeit, die mindestens 1 Jahr betragen muss, haben die Eheleute Gelegenheit, ihren Scheidungswunsch zu überdenken. Außerdem kann die Zeit von ihnen dazu genutzt werden, die familiären Dinge zu klären, die mit ihrer Scheidung verbunden sind.

1. Trennungsjahr

Eine Scheidung kann erst nach Ablauf eines Trennungsjahres beim Familiengericht eingereicht werden, wenn die Ehe gescheitert ist. Das ergibt sich im Umkehrschluss aus § 1565 Abs. 1 und 2 BGB. Eine Ehescheidung vor Ablauf des Trennungsjahres kommt in der Regel nicht in Betracht. Die vom Gesetz geforderte „unzumutbare Härte“ kommt nur in den allerwenigsten Fällen zur Anwendung, auch wenn ein Betroffener aus seiner subjektiven Sicht heraus meint, es läge eine unzumutbare Härte vor.

Sind sich die Eheleute einig und wollen sie schon vor Ablauf des Trennungsjahres die Scheidung betreiben, sollten sie dies sorgfältig überdenken und die erforderlichen Schritte auch im Hinblick auf die steuerlichen Folgen der Trennung mit einem Rechtsanwalt abstimmen.

Leben die Eheleute mehr als 3 Jahre getrennt, wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist (vgl. § 1566 Abs. 2 BGB). Entgegen einer weit verbreiteten Auffassung ist es nicht erforderlich, dass die Eheleute 3 Jahre getrennt leben müssen, ehe ein Scheidungsantrag gestellt werden kann. 1 Jahr Trennung und der feste Wille zur Scheidung mit guten Gründen dafür reichen aus.

2. Herbeiführung der Trennung

Die Trennung der Eheleute erfolgt in dem Moment, in dem sie räumlich und wirtschaftlich voneinander getrennt leben und auch nicht mehr als Eheleute miteinander verkehren. Am Einfachsten wird die Trennung durch den Auszug eines Ehepartners aus der gemeinsamen Ehewohnung vollzogen.

Im Gegensatz zu anderen Rechtsordnungen muss die Trennung nicht in irgend einer Weise erklärt oder von einem Gericht oder Dritten festgestellt werden. Die Trennung ist in Deutschland nur praktisch zu vollziehen.

Das ist häufig schwierig, wenn die Eheleute, etwa wegen der gemeinsamen Kinder, noch eine Wohnung zusammen nutzen, auch wenn sie dort ihre Lebensbereiche im Sinne einer reinen Wohngemeinschaft (WG) weitgehend getrennt haben. In diesen Fällen sind am besten konkrete Maßnahmen mit dem Rechtsanwalt abzustimmen, wie die Trennung nach Außen hin dokumentiert werden kann.

3. Scheidungsantrag

Das Scheidungsverfahren wird durch Einreichung einer Antragsschrift, dem sog. Scheidungsantrag, beim zuständigen Familiengericht in Gang gesetzt. Das kann nur durch einen Rechtsanwalt geschehen.

Der andere Ehegatte, der im Verfahren Antragsgegner genannt wird, braucht keinen eigenen Rechtsanwalt, wenn er mit dem Inhalt des Scheidungsantrags einverstanden ist und der Scheidung zustimmt. In diesem Fall wird für das gesamte Scheidungsverfahren nur ein Anwalt benötigt. Dieser ist allerdings nicht Anwalt beider Ehegatten, auch wenn sich beide in jeder Beziehung einig sind, sondern immer nur Anwalt des einen Ehegatten, der die Scheidung eingereicht hat.

Natürlich steht es den Ehepartnern frei, sich die Kosten des Scheidungsanwalts zu teilen. Die Gerichtskosten werden auch ohne besondere Absprache geteilt.

4. Zustellung des Scheidungsantrags, Stichtag

Rechtlich wirkt sich das Scheidungsverfahren erst aus, wenn der Scheidungsantrag dem anderen Ehepartner gerichtlich zugestellt wurde. Bedeutsam hierzu ist der Zustellungsvermerk auf dem Briefumschlag, weil daraus der genaue Tag der Zustellung hervorgeht. Dieser Nachweis sollte nicht nur bei Scheidungsanträgen aufgehoben werden, sondern bei allen gerichtlichen Schriftstücken, die man förmlich, also im Wege der sog. Postzustellungsurkunde, zugestellt bekommt.

An den Zeitpunkt der Zustellung sind eine ganze Reihe von wichtigen Rechtsfolgen und Fristen geknüpft, deren Versäumnis teilweise fatale Folgen haben kann. Im Scheidungsverfahren spielt der Tag der Zustellung eine wichtige Rolle, etwa für den Versorgungsausgleich. Dabei geht es um die Verteilung der bisher in der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften.

Auch für die Berechnung des während der Ehe erworbenen Vermögens ist der Tag der Zustellung als sogenannter Stichtag von zentraler Bedeutung, da jeder Ehepartner vom anderen genau zu diesem Tag Auskunft über sein Endvermögen verlangen kann. Diese Auskunft kann auch noch nach Rechtskraft der Scheidung verlangt werden.

5. Auskünfte zum Versorgungsausgleich (Rententeilung)

Der Antragsgegner wird mit der Zustellung des Scheidungsantrages in der Regel aufgefordert, zu dem Vorbringen des scheidungswilligen Ehegatten Stellung zu nehmen. Haben die Eheleute die Aufteilung der in der Ehezeit erworbenen Rentenanrechte nicht im Vorfeld der Scheidung per Notarvertrag ausgeschlossen, wird automatisch bei jeder Scheidung von Amts der Versorgungsausgleich durchgeführt. Hierzu erhalten sie entweder gleich zusammen mit dem Scheidungsantrag oder anschließend mit gesondertem gerichtlichen Schreiben die Fragebögen zum Versorgungsausgleich in vierfacher Ausfertigung zugeschickt.

In diesen Fragebögen muss jeder Ehepartner dem Gericht zur Weiterleitung an die einschlägigen Versorgungsträger Auskunft über die erlangten Versorgungsanwartschaften erteilen, etwa bei der gesetzlichen Rentenversicherung, bei der Beamtenpensionskasse, bei einer öffentlich rechtlichen Zusatzversorgungskasse, bei einer betrieblichen Altersversorgung oder bei einer privaten Rentenversicherung. Wegen der gebotenen Transparenz erhalten die Eheleute von ihrer Auskunft jeweils wechselseitig eine Abschrift.

Damit die Versorgungsträger möglichst rasch die Angaben der Eheleute vorliegen haben, werden nur kurze Fristen gesetzt. Hat einer der Ehegatten nicht fristgemäß reagiert, wird ihm ein Zwangsgeld angedroht und ggf. auch festgesetzt.

Sobald beide Ehepartner die erforderlichen Auskünfte erteilt haben und sämtliche Versicherungszeiten geklärt sind, legen die beteiligten Versorgungsträger dem Gericht ihre Berechnungen über die in der Ehezeit erlangten Versorgungsanwartschaften vor. Eine Abschrift davon geht an beide Eheleute. Für die erforderlichen Berechnungen der Versorgungsträger sind in der Regel wenigstens 6 Monate zu veranschlagen.

6. Ausschluss des Versorgungsausgleichs

Die Durchführung des Versorgungsausgleichs durch das Gericht entfällt nach neuem Recht für Verfahren ab September 2009 gem. § 3 Abs. 3 VersAusglG bei kurzer Ehe bis zu 3 Jahren, wenn keiner der Eheleute die Aufteilung der Renten beantragt, oder bei einer einvernehmlichen, notariell beurkundeten Regelung der Eheleute unter den Voraussetzungen der §§ 6-8 VersAusglG. Dadurch kann das Scheidungsverfahren unter Umständen beschleunigt werden. Dieser Notarvertrag kann auch noch während des laufenden Scheidungsverfahrens abgeschlossen werden. Der Ehepartner, der durch den notariellen Ausschluss des Versorgungsausgleichs schlechter gestellt wäre, sollte sich vorher rechtsanwaltlich beraten lassen.

7. Scheidungsverhandlung, Anhörung der Eheleute

Wenn die Auskünfte der Versorgungsträger dem Gericht und den Parteien vorliegen, wird regelmäßig ein Termin zur mündlichen Verhandlung über die Ehescheidung anberaumt werden. Jeder Ehepartner weist sich in der Verhandlung durch seinen Personalausweis oder Reisepass gegenüber dem Gericht aus. Anschließend werden die Eheleute zum Scheitern der Ehe angehört, es sei denn, sie leben schon mehr als 3 Jahre voneinander getrennt.

Die Ehe wird auch dann geschieden, wenn einer der Ehepartner nicht damit einverstanden ist. In ganz seltenen Fällen wird von einer Scheidung wegen unzumutbarer Härte abgesehen (vgl. § 1568 BGB). Wie selten diese Vorschrift eine Rolle spielt, wird bereits daraus erkennbar, dass zu diesem Thema nur 10 Entscheidungen des Bundesgerichtshofes existieren, die letzte aus dem Jahr 1997. Selbst bei Suizidgefahr ist eine Ehescheidung nicht ausgeschlossen, wenn der andere Ehepartner beispielsweise vormundschaftliche Maßnahmen zum Schutz des scheidungsunwilligen Ehepartners ergreift (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 21.12.2005 in OLGR Schleswig 2006, Seite 131).

8. Folgesachen: Unterhalt, Vermögensauseinandersetzung, Hausrat, Sorge- und Umgangsrecht

Es liegt in der Hand der Eheleute, im Zuge des Scheidungsverfahrens auch weitere Punkte als sog. Folgesachen zu klären, über die sich die Eheleute nicht einigen konnten. Das hat in der Regel zur Folge, dass die Scheidung erst ausgesprochen wird, wenn die oben genannten Angelegenheiten ebenfalls entscheidungsreif sind. Folgesachen im Scheidungsverbund können nur durch einen Rechtsanwalt bei Gericht beantragt werden.

Scheidungsverfahren dauern durch den Verbund mit Folgesachen regelmäßig länger und sind häufig auch deutlich teurer und komplizierter als Scheidungen, die sich nur mit der Ehesache selber sowie dem Ausgleich der Altersversorgung befassen. Daher sollte möglichst schon im Vorfeld oder auch im Laufe eines Scheidungsverfahrens geklärt werden, inwieweit man sich über die regelungsbedürftigen Folgesachen mittels einer sog. Scheidungsfolgenvereinbarung untereinander einigen kann. Bei Bedarf sollte hierfür ein Rechtsanwalt zur Hilfe hinzugezogen werden. Die Vereinbarung als solche ist formgebunden und muss entweder über einen Vertrag beim Notar oder durch Protokollierung im Scheidungstermin beurkundet werden.

Lassen sich auf diese Weise weitere Streitigkeiten nicht vermeiden, ist eine strategische Planung des Scheidungsverfahrens dringend erforderlich.